Das „Berliner Testament“ ist besonders bei Ehegatten mit Kindern äußerst beliebt. Bei diesem Modell setzen sich die Eheleute für den ersten Erbfall gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen die Kinder zu Schlusserben für den zweiten Erbfall. Der überlebende Ehegatte ist dann also testamentarischer Alleinerbe, so dass die Kinder in diesem Falle enterbt werden. Grund für die Wahl einer solchen Gestaltungsvariante ist die Sicherstellung der Versorgung des überlebenden Ehegatten, da eine Vermögensaufteilung zwischen dem überlebenden Ehegatten sowie den Kindern vermieden wird. Jedoch können die Kinder den Willen der Eltern vereiteln, indem sie nach dem Tod des Erstversterbenden ihre gesetzlichen Pflichtteilsansprüche geltend machen. Um dies wiederum zu verhindern, wird zur Abschreckung im gemeinschaftlichen Testament der Eheleute häufig eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen.

Die Pflichtteilsstrafklausel hat zur Folge, dass das Kind, welches beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil gegenüber dem hinterbliebenen Elternteil geltend macht, auch nach dessen Versterben enterbt ist und sodann wieder „nur“ den Pflichtteil einfordern könnte.

In diesem Falle würde jedoch das pflichtteilsberechtigte Kind letztlich zweifach am Nachlass des Erstversterbenden beteiligt werden, da sich der Nachlass des Zweitverstrebenden um das Vermögen des zuerst verstorbenen Ehegatten erhöht hätte.

Sollte hingegen der überlebende Ehegatte bei einer hohen Lebenserwartung das gesamte Vermögen aufbrauchen, hätte dies wiederum zur Folge, dass die Kinder, welche dem Wunsch ihrer Eltern nachkommen und ihren gesetzlichen Pflichtteil nicht geltend machen, am Ende leer ausgehen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte es demnach für die Kinder sinnvoller erscheinen, die ihnen zustehenden Pflichtteilsansprüche bereits bei Eintritt des ersten Erbfalls einzufordern.

Bei Ausgestaltung der Pflichtteilsstrafklausel ist zu berücksichtigen, dass in jedem Falle klar zu definieren wäre, wann die Sanktion der Enterbung des Schlusserben eintreten soll. Gemäß § 2314 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und dessen Wert zu. Wenn im Testament beider Ehegatten die dort aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel nicht exakt formuliert wurde, könnte bereits die Geltendmachung des Auskunftsanspruches gegenüber dem länger lebenden Ehegatten zur Enterbung für den zweiten Erbfall führen, selbst wenn nach der Auskunftserteilung der Pflichtteilsanspruch nicht weiter verfolgt würde.

Letztlich kann die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen rechtssicher nur durch den Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen den Eltern und ihren Kindern verhindert werden.

Sollten die Kinder eine derartige Vereinbarung nicht wünschen, bestünde auch die Möglichkeit, den Kindern, die im ersten Erbfall den Pflichtteil nicht eingefordert haben, Geldvermächtnisse aus dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten zuzuwenden, welche jedoch erst mit dem zweiten Erbfall fällig würden. Dadurch könnte die wirtschaftliche Gleichstellung zwischen den Kindern weitestgehend sichergestellt werden, jedenfalls sofern die Nachlasshöhe des Zweitversterbenden für die Auszahlung eines solchen Vermächtnisses ausreicht.

Im Ergebnis ist anhand des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung der familiären Verhältnisse eine individuell angepasste Lösung zu erarbeiten. Auf Grund der Komplexität der gesamten Thematik ist es letztlich fast immer empfehlenswert, anwaltlichen Rat einzuholen.

Claudia Fischer

Rechtsanwältin und Angestellte der

Rechtsanwälte Alexander Troll & Ivo Sieber